OLG Zweibrücken v. 17.2.2025 - 8 W 11/24
Beleidigende Äußerungen über Miterben
Lässt sich der als Testamentsvollstrecker eingesetzte Ehemann einer Miterbin wiederholt zu herabsetzenden und beleidigenden Äußerungen über die anderen Miterben hinreißen, ist dieses Verhalten gerade dann, wenn er als Rechtsanwalt u.a. wegen der von ihm zu erwartenden Professionalität als Testamentsvollstrecker eingesetzt worden ist, geeignet, objektiv Misstrauen in seine neutrale und unparteiliche Amtsführung zu erzeugen.
Der Sachverhalt:
Der im Juni 2022 verstorbene Erblasser war verheiratet gewesen mit seiner vorverstorbenen Ehefrau, mit der er drei Kinder hatte, die Beteiligten zu 2) bis 4) (geb. 1966,1959 und 1956). Der Beteiligte zu 1) ist der Ehemann der Beteiligten zu 4). Er ist in W. als Rechtsanwalt tätig. Der Beteiligte zu 5) ist der Ehemann der Beteiligten zu 2) und der Beteiligte zu 7) deren gemeinsamer Sohn. Der Beteiligte zu 6) ist der Ehemann der Beteiligten zu 3).
Der Erblasser errichtete im Januar 2018 vor dem Notar ein Testament, in dem er
- zunächst die Beteiligten zu 2) bis 5) zu gleichen Teilen als seine Erben einsetzte,
- Vermächtnisse bzgl. einzelner Gegenstände (ein Ring und je eine Uhr) zugunsten seines Enkels und seiner Schwiegersöhne anordnete,
- Vorausvermächtnisse über Beträge von je 2.500 €, zahlbar innerhalb von 3 Monaten nach seinem Tod, zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) anordnete
- und den Beteiligten zu 1) zum - befreiten - Testamentsvollstecker mit folgenden Aufgaben bestimmte:
"…
§ 6 Testamentsvollstreckung
Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist die Auseinandersetzung des Nachlasses, der Erhalt des Hauses und die Auslieferung der Vermächtnisse.
…."
Nach der Eröffnung des notariellen Testamentes durch das AG - Nachlassgericht - erklärte der Beteiligte zu 1), das Amt des Testamentsvollstreckers anzunehmen und beantragte, ihm ein entsprechendes Zeugnis auszustellen. Daraufhin erteilte ihm das AG eine entsprechende Annahmebescheinigung. Nachdem die Auseinandersetzung des Nachlasses jedenfalls u.a. auch wegen einer schweren Erkrankung des Beteiligten zu 1) sowie wegen wechselseitiger Vorwürfe nicht vorangekommen war, stellten die Beteiligten zu 2) und 3) durch ihren Verfahrensbevollmächtigten den Antrag, den Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker "abzusetzen". Während die Beteiligten zu 3), 5), 6) und 7) den Antrag befürworteten, traten der Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 4) dem Antrag entgegen.
Das AG bestimmte schließlich einen Anhörungstermin, bei dem der Beteiligte zu 1), die Beteiligten zu 2) und 3) mit ihren Verfahrensbevollmächtigten sowie ihren Ehemännern, den Beteiligten zu 5) und 6) anwesend waren. In diesem Termin übergab der Beteiligte zu 1) u.a. den Beteiligten zu 5) und 6) jeweils die jenen vermachten Uhren. Die zuständige Richterin versuchte mit den Beteiligten eine gütliche Einigung zu erzielen, was aber letztlich scheiterte.
Das AG entschied, dass der Beteiligte zu 1) als Testamentsvollstrecker entlassen wird. Es liege ein wichtiger Grund i.S.v. § 2227 BGB vor, weil dem Beteiligten zu 1) Pflichtverletzungen anzulasten seien. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das AG hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht die Entlassung des Beteiligten zu 1) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers angeordnet.
Denn jedenfalls stellt es anerkanntermaßen einen "anderen wichtigen Grund" zur Entlassung des Testamentsvollstreckers i.S.d. § 2227 BGB dar, wenn ein Misstrauen in die unparteiliche Amtsführung des Testamentsvollstreckers besteht, das auf Tatsachen beruht, objektiv gerechtfertigt ist und für das der Testamentsvollstrecker Anlass gegeben hat. Einen solchen anderen wichtigen Grund hat das AG in dem Verhalten des Beteiligten zu 1) zu Recht gesehen. Dieser hat sich, wie das AG zutreffend ausgeführt hat, mehrfach zu beleidigenden oder herabsetzenden Äußerungen gegenüber den Beteiligten zu 2) und 3) hinreißen lassen, ohne von diesen dazu herausgefordert zu sein. Dabei kann er sich nicht darauf berufen, lediglich seinen Standpunkt unter Verwendung einer "harsh language" vertreten zu haben.
Es ist davon auszugehen, dass die Berufung des Beteiligten zu 1) zum Testamentsvollstrecker durch den Erblasser deshalb erfolgt ist, weil dieser von dem Beteiligten zu 1) als Rechtsanwalt bei der Abwicklung des Nachlasses eine gewisse Professionalität erwartet hat. Genau daran fehlt es jedoch. Der Beteiligte zu 1) lässt jede "Professionalität" im Zusammenhang mit der Kommunikation mit seinen Schwägerinnen vermissen.
So hat er auf eine sachlich gehaltene E-Mail der Beteiligten zu 3) mit einer eigenen Mail reagiert, in der er der Beteiligten zu 3) einen "Feldwebelton" vorgeworfen, sie über seine "umfassenden Befugnisse" als Testamentsvollstrecker belehrt und weiterhin entgegen ihrer Bitte angekündigt hat, ein Nachlassverzeichnis in Abwesenheit der Beteiligten zu 2) und 3) errichten zu wollen. Zudem hat er dort die Herausgabe eines Schlüssels zum Haus des Erblassers binnen drei Tage an seine Kanzleiadresse gefordert und angedroht, andernfalls das Haus unter zu Hilfenahme eines Schlüsseldienstes öffnen und die Schlösser austauschen zu lassen. Wenn somit von einem "Feldwebelton" gesprochen werden kann, dann war eher die E-Mail des Beteiligten zu 1) in einem solchen gehalten, nicht die vorangehenden E-Mails der Beteiligten zu 3).
Dies und weiteres Verhalten des Beteiligten zu 1), das von fehlende "Professionalität" und "Distanz" bei der Erledigung der Aufgaben eines Testamentsvollstreckers erkennen ließ, zeigt, dass sich seit der Amtsübernahme durch den Beteiligten zu 1) im Verhältnis zu den Beteiligten zu 2) und 3) derartige persönliche Spannungen aufgebaut haben, die ein sachliches und kooperatives Verhältnis nicht mehr möglich erscheinen lassen, so dass objektiv ein Misstrauen in die unparteiische Amtsführung des Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker gerechtfertigt erscheint, für das der Beteiligte zu 1) Anlass gegeben hat.
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