Otto Schmidt Verlag

Saarländisches OLG v. 31.1.2025 - 5 W 84/24

Verurteilung zur Auskunft über sämtliche lebzeitigen Zuwendungen

Die Verurteilung zur Auskunft über sämtliche lebzeitigen Zuwendungen, insbesondere "Lebensversicherungsverträge und sonstige Verträge zugunsten Dritter der Erblasserin unter Angabe des Zuwendungsvollzugs" an den Pflichtteilsberechtigten bei gleichzeitig angekündigtem, nicht tituliertem Wertermittlungsanspruch verlangt nachprüfbare Angaben zum Valutaverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Zuwendungsempfänger. Fehlende Angaben - auch - zum Deckungsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Versicherer zur abschließenden Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs rechtfertigen hingegen allenfalls die Geltendmachung des Wertermittlungsanspruchs.

Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin nahm die Schuldnerin als Erbin der im August 2014 verstorbenen Erblasserin auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch und kündigte mit ihrer Stufenklage aufeinanderfolgende Anträge auf Auskunft, Ermittlung des Wertes der nach Auskunftserteilung noch zu benennenden Gegenstände, Versicherung der Richtigkeit der Auskünfte an Eides Statt und Zahlung in nach Auskunftserteilung und Wertfeststellung noch zu beziffernder Höhe an. Mit Teil-Urteil wurde die Schuldnerin auf der ersten Stufe - unter Abweisung des weitergehenden Antrages - dazu verurteilt, Auskunft zu erteilen über u.a. sämtliche lebzeitigen Zuwendungen, insbesondere "Lebensversicherungsverträge und sonstige Verträge zugunsten Dritter der Erblasserin unter Angabe des Zuwendungsvollzugs". Die gegen das Teil-Urteil eingelegte Berufung der Schuldnerin wurde durch Beschluss des OLG zurückgewiesen. Die Schuldnerin machte Angaben u.a. zu einem Rentenversicherungsvertrag, für den die Erblasserin ein Bezugsrecht für den Fall ihres Todes zugunsten ihres Ehemannes verfügt hatte; (Versicherungsleistung rd. 57.000 €).

Im Januar 2023 bezifferte die Klägerin "nach erteilter Auskunft" unter Aufgabe der auf zweiter und dritter Stufe angekündigten Klageanträge ihren Zahlungsanspruch auf rd. 16.000 € zzgl. Zinsen. Nach gerichtlichen Hinweisen auf fehlenden Vortrag zum Wert des verschenkten Bezugsrechts vertrat sie die Ansicht, der titulierte Auskunftsanspruch sei "bislang allenfalls teilweise erfüllt" und die Beklagte daher gehalten, auch die Vertragsbedingungen des "Versicherungsantrages", die Art des Bezugsrechts, die Höhe des Rückkaufswertes im Todeszeitpunkt und im Zeitpunkt der Zuwendung sowie die gezahlten Prämien mitzuteilen. Für die anstehende gerichtliche Entscheidung sei aber "zumindest der unstreitig zur Auszahlung gelangte Betrag i.H.v. rd. 57.000 €" zugrunde zu legen und "schlichtweg davon auszugehen", dass dieser mangels Bestreitens der Beklagten den Rückkaufswert der Versicherung ausmache.

In der Folge kündigte das LG an, diesen Vortrag der Gläubigerin dahin verstehen zu wollen, dass ein widerrufliches Bezugsrecht bestanden habe, "da nur dann denknotwendig möglich ist, dass der für die Berechnung maßgebliche Rückkaufswert den nach dem Tod der Erblasserin ausgezahlten Versicherungsleistungen entspricht". Im Rahmen des schriftlichen Verfahrens teilte die Schuldnerin mit, dass sie sich angesichts des Zeitablaufes nicht zur Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts äußern könne und es der Gläubigerin ihres Erachtens nicht gelungen sei, den Anspruch der Höhe nach "zu substantiieren". Mit Schluss-Urteil verurteilte das LG die Schuldnerin unter Klagabweisung im Übrigen und unter dem Vorbehalt des § 780 ZPO zur Zahlung von rd. 8.000 € nebst Zinsen, wobei es in Ansehung des Bezugsrechts von einer Schenkung im Wert von rd. 57.000 € ausging. Gegen dieses Urteil wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

Bereits zuvor hatte die Gläubigerin im Rahmen des Erkenntnisverfahrens - auch - beantragt, zur Erzwingung der aufgrund des Teil-Urteils persönlich zu erteilenden Auskunft ein Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden könnte, Zwangshaft festzusetzen und zur Begründung angegeben, die Schuldnerin bestreite zwar einerseits nicht, dass "der Auszahlungsbetrag zugleich der Rückkaufswert" sei, andererseits habe sie aber auf entsprechende außergerichtliche Aufforderung in Abrede gestellt, dass die weiteren Auskünfte von dem titulierten Anspruch umfasst seien. Nach Rechtskraft des Schlussurteils erklärte sie unter Verweis auf diese ihr günstige Entscheidung den Zwangsmittelantrag für erledigt und bat darum, der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Schuldnerin hat sich zu der Erledigungserklärung nicht geäußert.

Mit dem angefochtenen Beschluss erlegte das LG der Schuldnerin die Kosten des Verfahrens auf. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin änderte das OLG den Beschluss des LG ab und erlegte die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Zwangsvollstreckungsverfahrens der Gläubigerin auf.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht der Erstrichterin waren die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Verfahrens der Klägerin aufzuerlegen. Der am 21.6.2024 eingereichte Antrag auf Verhängung von Zwangsmitteln hätte bei Fortführung des Verfahrens abgelehnt werden müssen, weil die titulierte Auskunftsverpflichtung erfüllt war, während es in Ansehung der zuletzt begehrten weiteren, in der Sache auf eine Wertermittlung gerichteten Angaben an einem entsprechenden Vollstreckungstitel fehlte.

Den hier allein titulierten Auskunftsanspruch bzgl. "Lebensversicherungsverträge und sonstige Verträge zugunsten Dritter der Erblasserin unter Angabe des Zuwendungsvollzugs" hat die Schuldnerin mit ihrer Auskunft vom 4.8.2022 unter Beifügung von zwei Schreiben des Versicherers erfüllt. Weil § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB den Pflichtteilsberechtigten in die Lage versetzen will, seine möglichen Pflichtteilsansprüche aufzudecken und durchzusetzen, müssen Auskünfte zu Schenkungen des Erblassers, wie sie hier in Rede stehen, ihm die Beurteilung ermöglichen, ob eine pflichtteilsrelevante unentgeltliche Zuwendung i.S.d. § 2325 Abs. 1 BGB vorliegt und daher insoweit auch nachprüfbare Angaben zum Valutaverhältnis zwischen dem Erblasser und den Zuwendungsempfängern enthalten. Dem genügte die von der Schuldnerin erteilte Auskunft; denn sie ermöglichte es der Gläubigerin, sich darüber im Klaren zu werden, ob in der Zuwendung des Bezugsrechts eine ergänzungspflichtige Schenkung lag und ob sie deshalb die Ermittlung des Wertes des Bezugsrechts verlangen sollte.

Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben lückenhaft waren und deshalb ein - ausnahmsweise bei offensichtlicher Unvollständigkeit anzuerkennender - Anspruch auf Ergänzung der Auskunft bestand, liegen nicht vor und folgen insbesondere nicht daraus, dass zur korrekten Ermittlung des Wertes der Zuwendung, den das LG als unstreitig angesehen hat, weitere Informationen - auch - zum Deckungsverhältnis zwischen der Erblasserin und dem Versicherer erforderlich gewesen wären. Dass der Gläubigerin eine abschließende Berechnung ihres Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht möglich ist, weil sie sich aufgrund der ihr zugänglichen Tatsachen noch kein ausreichendes Bild über den Wert des Bezugsrechts machen kann, rechtfertigte hier allenfalls die Geltendmachung eines Wertermittlungsanspruchs, der auch in Bezug auf den sog. fiktiven Nachlass in Betracht kommt, den die Gläubigerin jedoch zuletzt nicht weiterverfolgt hat und der schon angesichts der ihren Klageanträgen zugrunde liegenden Differenzierung nicht in die hier titulierte Auskunftsverpflichtung hineingelesen werden könnte.

Ungeachtet der fehlenden Erfolgsaussicht ihres Antrages sprechen auch Gründe der Billigkeit vorliegend dafür, der Gläubigerin die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens aufzuerlegen. Die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens zur Erlangung weiterer Auskünfte kann verfrüht sein und im Falle der späteren übereinstimmenden Erledigungserklärung nach dem Rechtsgedanken der fehlenden Klageveranlassung die Kostentragung des Gläubigers rechtfertigen, wenn dieser bis zur angekündigten Entscheidung über die Hauptsache, gegen die der Schuldner kein Rechtsmittel einlegt, nicht mit einem erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens rechnen konnte und seine Rechte im Erkenntnisverfahren auch ohne Rücksicht auf dieses Verfahren damals ausreichend gewahrt schienen.

Vorliegend bestand für die Gläubigerin kein vernünftiger Anlass, am 21.6.2024 - auch - einen Vollstreckungsantrag bei Gericht anzubringen. Zwar soll es einem Gläubiger, der Stufenklage erhoben hat, nicht von vornherein versagt sein, aus der Leistungsstufe auf die Auskunftsstufe zurückzukehren, wenn er erkennt, dass die ihm vorliegenden Informationen nicht auskömmlich sind; dementsprechend mag dann auch die zwangsweise Durchsetzung einer bereits titulierten Auskunftsverpflichtung noch zulässig sein. Das bedeutet aber nicht, dass ein Schuldner, der sich - aus Sicht des Gläubigers - zu den geforderten Auskünften nicht ausreichend erklärt hat, damit auch zwangsläufig Anlass zur Einreichung eines solchen Vollstreckungsantrages gibt. Vielmehr ist darüber unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach den zu § 93 ZPO entwickelten Grundsätzen zu entscheiden und - nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung - zu fragen, ob der Gläubiger sein konkretes prozessuales Vorgehen im maßgeblichen Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung vernünftigerweise für erforderlich halten durfte. Das war hier jedoch nicht der Fall.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.02.2025 16:17
Quelle: Bürgerservice Saarland

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