BGH v. 29.1.2025 - IV ZB 2/24
Aufwendungen weiterer Beteiligter bei erstinstanzlicher Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren
Einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren, die sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird oder der Antragsteller die "Kosten des Verfahrens" zu tragen hat, ist - sofern eine Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt - regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen.
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten, zwei von sieben Kindern des am 12.10.1995 verstorbenen Erblassers, stritten um dessen Erbfolge. Das AG - Nachlassgericht - wies den auf Erteilung eines Alleinerbscheins gerichteten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1), dem der Beteiligte zu 2) anwaltlich vertreten entgegengetreten war, mit Beschluss vom 27.9.2022 (Hauptsacheentscheidung) "kostenpflichtig zurück". In den Gründen führte es aus: "Der Antrag des Antragstellers war daher zurückzuweisen, wobei er die Kosten des Verfahrens zu tragen hat."
Das AG setzte in der Folge auf den Antrag des Beteiligten zu 2) die diesem aufgrund der Hauptsacheentscheidung von dem Beteiligten zu 1) zu erstattenden Kosten auf rd. 4.100 € (Rechtsanwaltsgebühren, Auslagen und Umsatzsteuer) nebst Zinsen fest. Das OLG hob auf die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1), der meint, die Hauptsacheentscheidung verpflichte ihn nur zur Tragung der Gerichtskosten, den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG auf und wies den Antrag des Beteiligten zu 2) zurück. Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2) hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der Beteiligte zu 2) hat keinen Anspruch auf gerichtliche Festsetzung seiner notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen gegen den Beteiligten zu 1) als Erbscheinsantragsteller.
Der Hauptsacheentscheidung ist weder ausdrücklich noch im Wege der Auslegung eine Auferlegung der außergerichtlichen Aufwendungen des Beteiligten zu 2) auf den Beteiligten zu 1) zu entnehmen. Der Tenor der Hauptsacheentscheidung ("Der Erbscheinsantrag […] wird kostenpflichtig zurückgewiesen.") verhält sich nicht zu den außergerichtlichen Aufwendungen des Beteiligten zu 2). Maßgebend für die daher erforderliche Auslegung ist der Wortlaut der Kostengrundentscheidung unter Heranziehung der Entscheidungsgründe. Die Ausführungen in den Entscheidungsgründen, der Antragsteller habe die Kosten des Verfahrens zu tragen, beinhalten ihrerseits nicht ausdrücklich die notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 2). Das Rubrum der Hauptsacheentscheidung, das den Beteiligten zu 1) als "Antragsteller und Erbe", den Beteiligten zu 2) als "Antragsgegner und Erbe" und zwei weitere Geschwister jeweils nur als "Erbe" bezeichnet, ergibt insoweit ebenfalls nichts anderes. Aus der unterschiedlichen Bezeichnung der dem Erbscheinsantrag entgegentretenden bzw. nicht entgegentretenden Beteiligten folgt nichts für die Frage, ob dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des so bezeichneten Antragsgegners dem Grunde nach auferlegt worden sind.
Die Frage, ob einem erstinstanzlichen Ausspruch in Nachlasssachen, insbesondere im Erbscheinsverfahren, der sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird, und bei dem sich aus den Entscheidungsgründen nichts Abweichendes ergibt, neben der Auferlegung der Gerichtskosten regelmäßig auch die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten weiterer Beteiligter zu entnehmen ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten Einige OLG vertreten die Auffassung, eine solche Kostenentscheidung sei anhand der Definition in § 80 FamFG dahingehend auszulegen, dass davon sowohl die Gerichtskosten als auch die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erfasst seien. Nach anderer Ansicht umfasst diese Tenorierung nicht die Erstattung außergerichtlicher Kosten, was vor allem mit den Besonderheiten des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit wie der nach § 81 Abs. 1 FamFG flexiblen Kostenverteilung im Wege einer Ermessensentscheidung begründet wird.
Der Senat hat diese Frage zuletzt offengelassen. Sie ist im Sinne der letztgenannten Auffassung zu beantworten. Einer erstinstanzlichen Kostenentscheidung nach § 81 FamFG in einem Nachlassverfahren, die sich darin erschöpft, dass ein Antrag "kostenpflichtig zurückgewiesen" wird oder dass der Antragsteller die "Kosten des Verfahrens" zu tragen hat, ist - sofern eine Auslegung anhand der Entscheidungsgründe nichts Abweichendes ergibt - regelmäßig nicht die Anordnung der Erstattung der zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen weiterer Beteiligter zu entnehmen.
Gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann das Gericht die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Mit der Regelung des § 81 Abs. 1 FamFG hat der Gesetzgeber dem Gericht ein weites Ermessen eingeräumt. Zwar wurde die in § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG enthaltene Regel, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte grundsätzlich seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, aufgegeben. Fehlt es an einer hinreichend klaren Ermessensentscheidung des Gerichts zur Auferlegung der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen auf einen anderen Beteiligten, verbleibt es aber dabei, dass diese von demjenigen zu tragen sind, bei dem sie angefallen sind. Anders als für die Gerichtskosten, deren Schuldner ohne eine Entscheidung des Gerichts hierzu nach § 22 Abs. 1 GNotKG nur der Antragsteller bleibt, bedürfte es, sollte der Antragsteller auch die Kosten weiterer Beteiligter zu tragen haben, insoweit einer diese Kostentragung rechtfertigenden (Billigkeits-)Entscheidung des Gerichts, in welche das Gericht sämtliche in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen hat. Der schlichten Entscheidung einer "kostenpflichtigen" Antragszurückweisung ist eine derartige Ermessensausübung zur Auferlegung außergerichtlicher Kosten anderer Beteiligter nicht zu entnehmen.
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