Otto Schmidt Verlag

OLG Köln v. 30.1.2025 - 14 UF 6/25

Mögliche steuerrechtliche Motive? Adoption des Neffen durch Onkel verweigert

Eine Eltern-Kind-Beziehung ist anzunehmen, wenn ein soziales Familienband besteht, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenem Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten. Sie ist zu verneinen, wenn der Anzunehmende als Neffe des Annehmenden zwar dessen Unterstützung in beruflicher Hinsicht in Anspruch nimmt, eine darüber hinausgehende Bindung aber nicht ersichtlich ist und der Anzunehmende weiterhin eine gute Beziehung zu seinen Eltern pflegt.

Der Sachverhalt:
Der Annehmende ist der Onkel des Anzunehmenden. Er lebt von seinem Lebenspartner getrennt und hat keine eigenen Kinder. Der Anzunehmende hat zwei ältere Geschwister. Sein Vater ist geschieden und der Zwillingsbruder des Annehmenden. Dieser hatte seit jeher ein enges familiäres Verhältnis zu dem Anzunehmenden. Dieses intensivierte sich nach der Trennung der Eltern des Anzunehmenden vor etwa acht Jahren.

Das Studium des Anzunehmenden finanziert der Annehmende. Zudem hat er ihm eine Wohnung gekauft. Während der Anzunehmende sehr gut im siebenstelligen Bereich verdient und nach eigenen Angaben Millionär ist, haben die Eltern des Anzunehmenden nicht studiert und der Vater verdient netto nicht mehr als 2.000 €. Der Anzunehmende hatte und hat ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Sein Vater ist für ihn Ansprechpartner für praktische oder handwerkliche Fragen.

Das AG hat den Antrag der Beteiligten auf Annahme des Anzunehmenden durch den Annehmenden als Kind zurückgewiesen. Die sittliche Rechtfertigung der beantragten Adoption sei nicht gegeben. Zwar konnte der Eindruck gewonnen werden, dass zwischen den Beteiligten ein herzliches und gutes Verhältnis bestehe. Nichtsdestotrotz beständen beim Gericht weiterhin Zweifel, dass der beantragten Adoption ein rein familienbezogenes Motiv zugrunde liege. Vielmehr dränge sich nach der persönlichen Anhörung der Beteiligten der Eindruck auf, dass unter anderem steuerrechtliche Motive eine Rolle spielen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten blieb vor dem OLG erfolglos.

Die Gründe:
Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass zwischen den Beteiligten kein Eltern-Kind-Verhältnis besteht bzw. nicht ausreichend dargelegt ist.

Eine Eltern-Kind-Beziehung ist anzunehmen, wenn ein soziales Familienband besteht, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenem Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten. Es muss sich um ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten handeln, dass sich die Beziehung klar von einer engen Freundschaft oder engen Verbundenheit zwischen Verwandten abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen einem Elternteil und dessen erwachsenem Kind rückt. Ein solche Beziehung ist zu verneinen, wenn der Anzunehmende als Neffe des Annehmenden zwar dessen Unterstützung in beruflicher Hinsicht in Anspruch nimmt, eine darüber hinausgehende Bindung aber nicht ersichtlich ist und der Anzunehmende weiterhin eine gute Beziehung zu seinen Eltern pflegt.

Im vorliegenden Fall berät der Annehmende den Anzunehmenden in schulischen bzw. Ausbildungsfragen und unterstützt ihn finanziell. Ein darüberhinausgehendes Lebensband wurde allerdings nicht vorgetragen. Der Anzunehmende hat nicht dargelegt, in welcher Form auch er gegenwärtig für den Annehmenden die besondere Stellung eines Kindes hat, also einer Person, die gezeichnet durch eine lange familiäre Bindung jederzeit bereit ist, für den Elternteil „einzuspringen“ oder anwesend zu sein, um ihn emotional zu unterstützen oder einfach zu lieben. Auch im Hinblick auf den Willen und die Bereitschaft des Anzunehmenden, den Annehmenden mit zunehmenden Alter zu pflegen, wurde nichts vorgetragen.

Aber auch unabhängig von der mangelnden Darlegung einer besonderen emotionalen Verbundenheit, die über eine Onkel-Neffe-Beziehung hinausgeht, wurden keine äußeren Umstände dargelegt, die das nahelegen. Es ist schon nichts zu gemeinsamen Geburtstagen vorgetragen worden. Weihnachten wird in der Großfamilie gefeiert, so dass hierdurch keine Rückschlüsse gezogen werden können. Gemeinsame Urlaube haben nicht stattgefunden, was als ein Indiz gegen eine wechselseitige Einstandsgemeinschaft sprach. Außerdem war zu berücksichtigen, dass sich die besonders enge Bindung zwischen den Beteiligten erst mit der Trennung der Eltern des Annehmenden, als er 16 Jahre alt war, entwickelt hatte, also zu einem Zeitpunkt, in dem die wesentliche Bindungsentwicklung bei Menschen (lange) beendet ist.

Letztlich hatte der Annehmende selber eingeräumt, dass auch steuerliche Motive eine Rolle spielten, worauf das AG zutreffend hingewiesen hat. Spielen bei der Adoption mehrere Motive eine Rolle, dann muss das familienbezogene das Hauptmotiv sein. Gerade dieses Element hat der Senat vor dem Hintergrund der soeben gemachten Ausführungen sowie unter Verweis auf die Begründung des AG als nicht gegeben angesehen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.02.2025 15:32
Quelle: Justiz NRW

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