OLG Zweibrücken v. 14.8.2024 - 8 W 102/23
Irrtum bei der Erbschaftsausschlagung: Falsche Vorstellung vom Wert einzelner Nachlassgegenstände genügt nicht
Ein rechtlich beachtlicher Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses liegt nur vor, wenn sich der Anfechtende in einem Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses befunden hat, hingegen nicht, wenn lediglich falsche Vorstellungen von dem Wert der einzelnen Nachlassgegenstände vorgelegen haben.
Der Sachverhalt:
Die Erblasserin ist im Alter von 106 Jahren ohne Testament verstorben. Zuvor lebte sie seit längeren Jahren in einem Seniorenheim. Die Heim- und Pflegekostenkosten wurden aus Mitteln der Kriegsopferfürsorgestelle bestritten. Diese Leistungen wurden als Darlehen gewährt und durch eine Grundschuld an einem Haus der Erblasserin abgesichert. Der Ehemann der Erblasserin, ihre beiden Kinder und auch ein Enkelkind waren bereits vorverstorben. Gesetzliche Erben waren die Enkel und Urenkel der Erblasserin.
Nach dem Tod der Erblasserin schlug u.a. die in gesetzlicher Erbfolge zur Erbin berufene Enkelin das Erbe aus. Sie gab an, dass der Nachlass nach ihrer Kenntnis überschuldet sei. Zwei Urenkel der Erblasserinnen schlugen das Erbe dagegen nicht aus. In der Folge wurde das Haus der Erblasserin unter Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Nachlasspflegerin an Dritte verkauft. Nach dem Verkauf des Hauses focht die Enkelin ihre Erklärung zur Erbausschlagung sodann wegen Irrtums an. Sie beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der u.a. sie als Erbin zu 1/4 Anteil ausweisen sollte.
Das AG - Nachlassgericht - gab dem Antrag statt und entschied, dass der Erbschein wegen der angefochtenen Erbausschlagungserklärung der Enkelin wie von ihr beantragt erteilt werden müsse. Gegen diesen Beschluss wendete sich einer der Urenkel, der die Erbschaft nicht ausgeschlagen hatte, mit seiner Beschwerde. Das OLG gab dem Antrag statt.
Die Gründe:
Der Erbscheinsantrag der Enkelin war zurückzuweisen, da der von ihr beantragte Erbschein die eingetretene Erbfolge unzutreffend wiedergibt.
Die Enkelin ist keine Erbin geworden, da sie die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hat und sie die Ausschlagungserklärung wegen Irrtums auch nicht wirksam anfechten kann. Soweit sie Ihren Irrtum damit begründet hat, dass ihr erst im Nachhinein bekannt geworden ist, dass zum Nachlass ein Bankkonto bei der Kreissparkasse Köln mit einem vierstelligen Guthaben gehöre, läge zwar ein beachtlicher Irrtum über die Zusammensetzung des Nachlasses vor. Dieser Irrtum hätte aber nicht ihre Ausschlagung der Erbschaft veranlasst. Denn selbst, wenn ihr das Konto bei der Kreissparkasse Köln bekannt gewesen wäre, hätte dies mangels wirtschaftlichem Gewicht des dortigen Guthabensbetrages gegenüber den restlichen Nachlasspositionen nichts an ihrer Einschätzung der Überschuldung des Nachlasses geändert. Soweit sich die Enkelin darauf berufe, dass sie darüber geirrt habe, dass der Erlös aus dem Verkauf des Hauses der Erblasserin die Verbindlichkeiten aus dem mit der Grundschuld abgesicherten Darlehen für die Heim- und Pflegekosten der Kriegsopferfürsorgestelle übersteige, liege kein Irrtum vor, der zur Anfechtung berechtige. Dieser Irrtum beruhe lediglich auf der unzutreffenden Vorstellung über den Wert des Nachlasses, nicht über dessen Zusammensetzung.
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Rechtsprechung
§§ 119 II, 1944 II, 1957 I BGB: Beginn der Ausschlagungsfrist bei gesetzlicher Erbfolge – unrichtige Vorstellung über Zusammensetzung des Nachlasses
KG vom 10.10.2023 - 6 W 31/23
FamRZ 2024, 1055
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