Otto Schmidt Verlag

Aktuelle BGH-Rechtsprechung in Leitsätzen

Hier finden Sie die neuesten Entscheidungen aus der Rubrik "Aktuell" der anstehenden FamRB-Ausgabe, bevor sie von Praxiserfahrenen für Sie aufbereitet, mit Beraterhinweisen versehen und die Konsequenzen für Ihre Praxis aufgezeigt werden.

BGH, Urt. v. 26.6.2024 - IV ZR 288/22

Grundstücksverfügung durch Vorerben bei Gütergemeinschaft mit Erblasser

a) Die Nutzungen der Vorerbschaft, wie z.B. Mieteinnahmen, gebühren gemäß § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich dem Vorerben, und zwar auch dem befreiten Vorerben, und fließen ihm als freies Vermögen zu (Festhaltung an BGH v. 29.6.1983 - IVa ZR 57/82, NJW 1983, 2874 [juris Rz. 15]).

b) Bestand eine Gütergemeinschaft zwischen dem Erblasser und dem Vorerben, kann letzterer über ein zum Gesamtgut gehörendes Grundstück ohne Zustimmung des Nacherben verfügen; § 2113 BGB findet insoweit keine Anwendung (Fortsetzung des Beschl. v. 15.3.2007 - V ZB 145/06, BGHZ 171, 350 Rz. 6).

c) Auch bei einer wirksamen Verfügung des Vorerben kann dem Nacherben nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Herausgabepflicht nach § 2130 Abs. 1 S. 1 BGB zustehen, wenn der Vorerbe seine Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung gemäß § 2120 S. 1 BGB verletzt hat. Der Vorerbe trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Verfügung zur ordnungsmäßigen Verwaltung erforderlich war.

 

BGH, Beschl. v. 12.6.2024 - XII ZB 197/24

BGH: Betreute Person nach neuem Gutachten erneut anzuhören

a) Zieht das Beschwerdegericht in einer Unterbringungssache für seine Entscheidung eine neue Tatsachengrundlage etwa ein neues Sachverständigengutachten heran, die nach der amtsgerichtlichen Entscheidung datiert, gebietet dies eine neue persönliche Anhörung des Betroffenen nach § 319 FamFG (im Anschluss an BGH v. 6.4.2022 – XII ZB 451/21, FamRZ 2022, 1130).

b) Ist der Sachverständige nicht Arzt für Psychiatrie, muss das Gericht prüfen und in der Entscheidung darlegen, ob er als Arzt über Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie im Sinne von § 321 Abs. 1 S. 4 Halbs. 2 FamFG verfügt. Wenn der Sachverständige insoweit nicht hinreichend qualifiziert ist, darf das von ihm erstattete Gutachten nicht verwertet werden (im Anschluss an BGH v. 15.9.2010 – XII ZB 383/10, FamRZ 2010, 1726).

 

BGH, Beschl. v. 5.6.2024 - XII ZB 493/22

Unwirksame Zustellung bei Abweichungen zwischen Urschrift und Ausfertigung

a) Nur wesentliche Abweichungen zwischen Urschrift und zugestellter Ausfertigung führen zur Unwirksamkeit der Zustellung. Wesentlich sind Abweichungen, die die Entschließung über die Einlegung eines Rechtsmittels beeinflussen können (im Anschluss an BGH v. 6.3.2024 - XII ZB 408/23, MDR 2024, 731 und vom 29.11.2006 - XII ZB 194/05, FamRZ 2007, 372; BGH v. 24.5.2006 - IV ZB 47/05, NJW-RR 2006, 1570).

b) Zum (hier verneinten) Verschulden eines Rechtsanwalts, der darauf vertraut, dass für  den Beginn der Beschwerdefrist erst eine zweite Beschlusszustellung maßgebend ist.

c) Urteilsersetzende Beschlüsse in Ehe- und Familienstreitsachen sind gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 311 Abs. 2 ZPO zu verkünden. Der Nachweis für die erfolgte Verkündung kann nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 165 S. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 7 ZPO nur durch das Protokoll geführt werden (im Anschluss an BGH v. 13.6.2012 - XII ZB 592/11, FamRZ 2012, 1287).

 

BGH, Beschl. v. 22.5.2024 - XII ZB 122/24

Zur Unterbringungsfrist nach § 329 Abs. 2 S. 2 FamFG

Die Verpflichtung des Gerichts gemäß § 329 Abs. 2 S. 2 FamFG, einen externen Gutachter zu bestellen, setzt nicht voraus, dass die Unterbringung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz vier Jahre vollzogen ist. Ausreichend ist vielmehr, dass der mit der angefochtenen Entscheidung verlängerte Unterbringungszeitraum über das Fristende hinausreicht.

 

BGH, Beschl. v. 8.5.2024 - XII ZB 577/23

Ungeeignetheit eines Vorsorgebevollmächtigten

a) Sind in einer Vorsorgevollmacht mehrere einzelvertretungsberechtigte Bevollmächtigte bestellt und erweist sich (nur) einer von ihnen als ungeeignet, kommt die Einrichtung einer Vollbetreuung in den von der Vorsorgevollmacht umfassten Aufgabenbereichen regelmäßig nicht in Betracht, wenn und soweit für die Besorgung der Angelegenheiten des Betroffenen noch ein geeigneter Bevollmächtigter mit Einzelvertretungsbefugnis zur Verfügung steht.

b) Die Einrichtung einer Kontrollbetreuung kann sich auch auf einen von mehreren Vorsorgebevollmächtigten beziehen.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.07.2024 14:18

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