Otto Schmidt Verlag

AKtuell im FamRB

Die öffentliche Zustellung in Familiensachen (Stockmann, FamRB 2024, 293)

Ziel dieses Beitrags ist es, Voraussetzungen und Durchführung der öffentlichen Zustellung (öZ) darzustellen und dabei – unter Heranziehung der Entscheidung des OLG Celle FamRZ 2022, 1635 als Beispielsfall – auf die in Familienverfahren bestehenden Besonderheiten, insbesondere hinsichtlich der Rechtsbehelfe, hinzuweisen.

1. Das Problem
2. Gesetzliche Regelung in Familiensachen

a) Allgemeiner Teil des FamFG
b) Ehesachen und Familienstreitverfahren
3. Voraussetzungen für die öZ
a) Zustellungsadressat
b) Unbekannter Aufenthalt
c) Undurchführbarkeit einer Zustellung im Ausland
d) Nachforschungspflicht des Zustellungsbetreibers
e) Eigene Nachforschungspflicht des Gerichts
4. Bewilligungsentscheidung des Gerichts
a) Entscheidung von Amts wegen
b) Nur für die konkrete Zustellung
c) Zuständigkeit des „Prozessgerichts“
d) Gerichtskostenvorschuss
e) Ermessensreduzierung
f) Entscheidung durch Beschluss
5. Rechtsbehelf gegen Bewilligungsentscheidung?
a) Verweigerung der öZ in Ehe- und Familienstreitsachen
b) Verweigerung der öZ in Nichtstreitverfahren
c) Bewilligung der öZ
6. Ausführung der öZ
7. Heilung von Zustellungsmängeln

a) Nochmalige fehlerfreie Zustellung
b) Heilung gem. § 189 ZPO
8. Die fehlerbehaftete öZ
a) Materiell fehlerhafte Bewilligungsentscheidung
aa) Fehlende Voraussetzungen wären für Gericht erkennbar gewesen
bb) Zustellungsbetreiber täuscht das Gericht
cc) Fehlende Voraussetzungen waren für das Gericht nicht erkennbar gewesen
b) Nichteinhaltung von Formvorschriften
9. Die richtig ausgeführte öZ
10. Handlungsmöglichkeiten des Zustellungsadressaten bei einer öZ

a) ÖZ ist zwar fehlerhaft, aber richtig ausgeführt und damit wirksam
b) ÖZ ist fehlerhaft und unwirksam
aa) Eine gerichtliche Sachentscheidung ist noch nicht ergangen
bb) Eine gerichtliche Sachentscheidung ist bereits ergangen
11. Die Lösung des Beispielsfalls durch das OLG Celle
12. Folgerungen für die Praxis


1. Das Problem

Auch in der familiengerichtlichen Praxis kommt es immer wieder vor, dass eine vorzunehmende Zustellung an einen Verfahrensbeteiligten auf Schwierigkeiten stößt, etwa, weil sein Aufenthalt unbekannt ist oder er sich im Ausland befindet und die „normale“ Zustellung beispielsweise wegen fehlendem Rechtshilfeabkommen nicht durchführbar ist.

Beispiel – Teil 1
Die Antragstellerin ist Mutter eines Kindes, das in der Zeit ihrer zwischenzeitlich geschiedenen Ehe geboren wurde. 1 Der damalige Ehemann ist daher gem. § 1592 Nr. 1 BGB rechtlicher Vater dieses Kindes. Die Antragstellerin begehrt die Anfechtung der Vaterschaft ihres früheren Ehemannes unter Vorlage eines privat eingeholten Abstammungsgutachtens, wonach die Vaterschaft eines Dritten „praktisch erwiesen“ sei. Nach Angaben der Antragstellerin soll sich ihr früherer Ehemann vermutlich in der Türkei aufhalten. Eine Zustellung der Antragsschrift dorthin im Wege der Rechtshilfe blieb erfolglos, da der rechtliche Vater nicht unter der von der Antragstellerin mitgeteilten Anschrift wohnhaft ist.

Eine öZ ermöglicht in solchen Fällen den Fortgang des Verfahrens, allerdings nur nach ausdrücklicher gerichtlicher Feststellung, dass die für die öZ vom Gesetz geforderten Voraussetzungen auch gegeben sind. Bei dieser gerichtlichen Entscheidung geht es darum, den Konflikt zwischen dem Justizgewährungsanspruch desjenigen Verfahrensbeteiligten, in dessen Interesse die öZ erfolgen soll, und dem Anspruch auf rechtliches Gehör desjenigen Verfahrensbeteiligten, gegenüber dem die öZ wirken soll, aufzulösen. Die öZ eines Dokumentes führt ja regelmäßig nicht dazu, dass der Zustellungsadressat tatsächlich auch Kenntnis vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes erlangt. § 188 ZPO spricht nur eine Zustellungsfiktion aus, wonach das entsprechende Dokument als zugestellt gilt, wenn seit dem Aushang einer Benachrichtigung an der Gerichtstafel eine bestimmte Zeit vergangen ist. Wegen des mit der Bewilligung der öZ verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG ist diese daher nur zulässig, wenn deren strengen gesetzlichen Voraussetzungen ausnahmsweise bejaht werden können.

Beispiel – Teil 2
Den nach dem Scheitern der Rechtshilfezustellung (§ 183 Abs. 2 ZPO) gestellten Antrag auf öZ lehnte das AG ab. Dieser sei unzulässig, da die Antragstellerin weder dargelegt noch glaubhaft gemacht habe, dass sie ihre Möglichkeiten zu Nachforschungen bezüglich der Anschrift ihres früheren Ehemannes bei Verwandten, Freunden oder Bekannten sowie bei den türkischen Behörden ausgeschöpft habe.

2. Gesetzliche Regelung in Familiensachen

a) Allgemeiner Teil des FamFG

Der allgemeine Teil des FamFG enthält mit seinem § 15 eine knappe Regelung betreffend die öZ von Dokumenten. Die Norm verweist in ihrem Abs. 2 weitgehend darauf, dass die Bestimmungen der ZPO über die Zustellung (§§ 166 ff. ZPO) angewendet werden können.

Dies betrifft jene Familienverfahren, die Nichtstreitverfahren darstellen, also keine Ehesachen oder Familienstreitsachen nach § 112 FamFG sind. Trotz der grundsätzlichen Verweisung in die ZPO darf aber nicht vernachlässigt werden, dass das FamFG weitere zustellungsrelevante Aussagen enthält, beispielsweise in § 41 Abs. 1 Satz 2 FamFG, der vorsieht, dass ein anfechtbarer Beschluss demjenigen Beteiligten zuzustellen ist, dessen erklärtem Willen er nicht ...


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.07.2024 16:43
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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