Otto Schmidt Verlag

OLG Karlsruhe v. 7.6.2024 - 18 UF 137/23

Nutzung der Ehewohnung nach Scheidung: Verfahrenswert bei Antrag auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung

Der Wert eines Verfahrens auf Zahlung künftiger Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung ist mit dem Jahreswert des monatlich geforderten Betrags zu bemessen. Bei Antragstellung fällige Beträge sind hinzuzurechnen.

Der Sachverhalt:
Durch den von beiden Beteiligten mit Beschwerde und Anschlussbeschwerde angegriffenen Beschluss des AG wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, an den Antragsteller rückständige Nutzungsvergütung i.H.v. rd. 5.500 € und laufende Nutzungsvergütung für die Zeit ab 1.11.2022 i.H.v. 625 € mtl. zu zahlen. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung wandte sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrte, an ihn rückständige Nutzungsvergütung für den Zeitraum vom 10.12.2020 bis 31.10.2022 i.H.v. rd. 6.000 € und laufende Nutzungsvergütung für die Zeit ab 1.11.2022 i.H.v. rd. 560 €, ab 1.7.2023 i.H.v. rd. 530 € und ab 1.1.2024 i.H.v. 435 € jeweils mtl. zu zahlen.

Die Antragsgegnerin verfolgte mit ihrer Beschwerde und Anschlussbeschwerde gemäß Schriftsätzen ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12.7.2023 und 8.9.2023 das Ziel, dass ihre Verpflichtung zur Zahlung rückständiger Nutzungsentschädigung auf rd. 4.200 € und die laufende Nutzungsentschädigung für die Zeit ab 1.11.2022 auf mtl. rd. 560 €, ab 1.4.2023 auf mtl. 410 € und ab 1.7.2023 auf mtl. rd. 400 € reduziert werde.

Das OLG setzte den Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren auf rd. 3.600 € fest.

Die Gründe:
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 35, 39 Abs. 1 und 2, 40 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 FamGKG. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG bestimmt sich der Verfahrenswert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Im Fall wechselseitig eingelegter Rechtsmittel werden die geltend gemachten Ansprüche zusammengerechnet, soweit sie nicht denselben Gegenstand betreffen (§ 39 Abs. 2 mit Abs. 1 Satz 1 und 3 FamGKG).

Sind beide Parteien in erster Instanz teilweise unterlegen und verfolgen ihre ursprünglichen Anliegen mit gegenläufigen Rechtsmittelanträgen weiter, so sind die Rechtsmittelanträge nach den jeweils maßgeblichen Kriterien zu bewerten und die ermittelten Werte anschließend zu addieren. Der Beschwer kommt im Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 1 FamGKG keine wertbestimmende und insbesondere keine wertbegrenzende Wirkung zu, weil die Norm den Wert des Rechtsmittelzuges allein am Rechtsmittelantrag anknüpft. Bilden nacheheliche Ansprüche auf Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB den Gegenstand des Verfahrens, bemisst sich deren Bewertung nach §§ 35, 42 Abs. 1 FamGKG, wobei sich die Bewertung der bei Antragstellung bereits fälligen Beträge nach § 35 FamGKG richtet und der Wert der künftig fällig werdenden Beträge gem. § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. § 48 FamGKG findet keine Anwendung, da der Streit um die nacheheliche Zahlung von Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB keine Ehewohnungssache i.S.v. § 200 FamFG, sondern eine sonstige Familienstreitsache nach § 266 Abs. 1 FamFG darstellt.

Bei der Ausfüllung des in § 42 Abs. 1 FamGKG eröffneten Ermessens ist auf die in § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG enthaltene Wertung zurückzugreifen und der 12-fache Monatswert der geltend gemachten mtl. Nutzungsentschädigung heranzuziehen. Die Beschränkung des Werts für die Geltendmachung wiederkehrender Unterhaltsleistungen auf den für die ersten zwölf Monate nach Einreichung des Antrags geforderten Betrag dient dem Zweck, die anfallenden Gebühren auf ein sozial verträgliches Maß zu beschränken und das Kostenrisiko für die Beteiligten überschaubar zu halten. Dieser Schutzzweck lässt sich auf Streitigkeiten betreffend die an den Miteigentümer-Ehegatten zu zahlende Entschädigung für die nacheheliche Nutzung gemeinsam erworbenen Wohnraums übertragen, da die Materien Unterhalt und Nutzungsvergütung sowie Fragen betreffend die Bedienung oder Freistellung von gemeinsamen Darlehensverbindlichkeiten häufig in engem Zusammenhang und Wechselwirkung zueinander stehen. Zwar hat die gemeinsame Immobilie nach der Scheidung ihren Charakter als Ehewohnung verloren. Dennoch bleibt die Bruchteilsgemeinschaft der ehemaligen Ehegatten familienrechtlich überlagert, so dass eine unterschiedliche Behandlung gegenüber sonstigen Bruchteilsgemeinschaften in gebührenrechtlicher Hinsicht gerechtfertigt ist.

Der vereinzelt befürwortete Rückgriff auf §§ 48 Abs. 1 GKG, 9 ZPO und daraus folgend die Heranziehung des dreieinhalbfachen Jahreswerts der geforderten Nutzungsentschädigung für die Bestimmung des Verfahrenswerts führt demgegenüber zu nicht sachgerechten Ergebnissen und verbietet sich bereits aufgrund der Spezialität der Regelungen des FamGKG für familienrechtliche Streitigkeiten. Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ergibt sich vorliegend ein Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren von rd. 3.600 €.

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FamRZ 2024, 484



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.06.2024 16:35
Quelle: Landesrecht BW

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