Otto Schmidt Verlag

BGH v. 10.4.2024 - XII ZB 559/23

Berufsbetreuer mit Aufgabenbereich Wohnungsangelegenheiten: Anspruch auf die gesonderte Pauschale nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG

Einem beruflichen Betreuer, dem der Aufgabenbereich der Wohnungsangelegenheiten übertragen wurde, steht für den Zeitraum zwischen dem dauerhaften Umzug des nicht mittellosen Betroffenen aus dessen bisheriger, nicht vom Ehegatten des Betroffenen genutzter Mietwohnung in ein Pflegeheim und der Beendigung dieses Mietverhältnisses die gesonderte Pauschale nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG zu.

Der Sachverhalt:
Der Beteiligte begehrt als beruflicher Betreuer der Betroffenen die Festsetzung einer gesonderten Vergütungspauschale nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG.

Mit Beschluss vom 25.11.2022 wurde der Beteiligte zum beruflichen Betreuer der nicht mittellosen Betroffenen bestellt. Ihm wurde ein umfassender Aufgabenkreis übertragen, der u.a. den Aufgabenbereich der Wohnungsangelegenheiten umfasst. Die Betroffene, die zunächst allein in ihrer Mietwohnung lebte, zog am 21.12.2022 dauerhaft in ein Pflegeheim um. Mit Schreiben vom 7.2.2023 kündigte sie die Mietwohnung zum 31.5.2023.

Der Beteiligte beantragte beim AG, für die Verwaltung nicht selbst genutzten Wohnraums der nicht mittellosen Betroffenen in dem Zeitraum vom 21.12.2022 bis zum 25.5.2023 eine gesonderte mtl. Vergütungspauschale von jeweils 30 €, insgesamt 180 €, festzusetzen.

Das AG lehnte den Festsetzungsantrag ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten gab der BGH dem Antrag statt.

Die Gründe:
Ist der Betreute nicht mittellos, wird der berufliche Betreuer nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG mit einer zusätzlichen mtl. Pauschale i.H.v. 30 € vergütet, wenn dieser die Verwaltung von Wohnraum, der nicht vom Betreuten oder seinem Ehegatten genutzt wird, zu besorgen hat. Ob dem beruflichen Betreuer diese gesonderte Pauschale auch für den Zeitraum zwischen einem dauerhaften Umzug des Betroffenen aus dessen bisheriger Mietwohnung in ein Pflegeheim und der Beendigung dieses Mietverhältnisses zusteht, ist umstritten.

Nach einer Ansicht soll in diesem Fall die zusätzliche monatliche Pauschale nicht anfallen. Diese Auffassung stützt sich vornehmlich auf die Geset-zesbegründung, wonach die gesonderte Pauschale den Mehraufwand abgelten solle, der durch die Verwaltung eines höheren Vermögens anfalle. Die Kündigung und Auflösung des zuletzt von einem Betreuten angemieteten Wohnraums habe ihren Schwerpunkt aber nicht in einer (aufwändigeren) Vermögensverwaltung, sondern könne bei Zuweisung des Aufgabenkreises Wohnungsangelegenheiten sowohl bei einem bemittelten als auch bei einem unbemittelten Betreuten anfallen. Nach anderer Ansicht soll dem Betreuer in diesem Fall die zusätzliche mtl. Pauschale zustehen. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Außerdem führe die Verwaltung einer vom Betreuten bislang genutzten Wohnung auch nach dessen Auszug zu einem erhöhten Betreuungsaufwand.

Die letztgenannte Auffassung trifft zu. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG. Es besteht auch kein Anlass für eine Korrektur des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VBVG in Form einer teleologischen Reduktion dahingehend, dass ein beruflicher Betreuer, dem der Aufgabenbereich der Wohnungsangelegenheiten übertragen wurde, allein für die Verwaltung einer bislang vom Betreuten selbst genutzten Mietwohnung nach dessen endgültigem Umzug in ein Pflegeheim die gesonderte Pauschale nicht verlangen kann. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Vorschrift kommt in Betracht, wenn der Wortlaut der Norm mit Blick auf ihren Zweck zu weit gefasst ist. Sie setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesbegründung tragfähige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gesetzgeber Fälle der vorliegenden Art aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift ausschließen wollte.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.06.2024 13:21
Quelle: BGH online

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