Otto Schmidt Verlag

OLG Zweibrücken v. 27.5.2024 - 8 W 41/23

Kein ausreichender Anhalt für Ersatz-Ersatzerben

Die Einsetzung der Lebensgefährtin als Ersatzerbin stellt ohne Hinzutreten weiterer in der testamentarischen Verfügung angedeuteter Umstände keinen ausreichenden Anhalt dafür dar, dass bei einem Vorversterben der Lebensgefährtin deren noch lebende Abkömmlinge zur Ersatz-Ersatzerben berufen sind. Die Regelung des § 2069 BGB ist auf solche Fälle jedenfalls nicht (entsprechend) anwendbar.

Der Sachverhalt:
Der am 31.1.2022 verstorbene Erblasser war mit der bereits 1997 vorverstorbenen O. verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich der 1965 geborenen Beteiligte zu 1) sowie die 1964 geborene C. Die Eheleute hatten 1989 einen Erbvertrag geschlossen, in dem sie sich gegenseitig zu unbeschränkten Alleinerben eingesetzt hatten. Außerdem war unter § 2 geregelt:

„Verlangt ein Kind bei Tod des Erstverstrebenden von uns dem Pflichtteil, so erhält es auch beim Tod des Längstlebenden nur den Pflichtteil. Der Längstlebende bleibt berechtigt, über unser Vermögen frei unter Lebenden oder von Todes wegen zu verfügen.“

Der Erblasser lebte später mit einer Lebensgefährtin S. zusammen, die aber ebenfalls vor dem Erblasser (am 27.10.2021) verstorben ist. Die Beteiligte zu 2) ist eine Enkelin der Lebensgefährtin. Nachdem der Erblasser bereits 2016 seiner Lebensgefährtin eine privatschriftliche Kontovollmacht erteilt hatte, errichtete er am 1.7.2018 ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„Mein Testament
    Ich setze meine Tochter C. als alleinige Erbin ein. Da mein Sohn S. das Pflichtteil seiner Mutter ausgezahlt bekommen hat, geht mein Erbe an C. Meine Lebensgefährtin S. erhält, wenn meine Tochter das Erbe ausschlagen sollte, meinen ganzen Besitz“


Die C. schlug die Erbschaft aus. Daraufhin ordnete das Nachlassgericht am 3.5.2022 eine Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 3) zum Nachlasspfleger. In einem „Übernahmebericht“ vom  2.9.2022 vertrat er die Ansicht, das Testament vom 1.7.2018 könne im Wege der ergänzenden Auslegung dahingehend ausgelegt werden, dass der Erblasser für den Fall, dass er daran gedacht hätte, dass die Lebensgefährtin vor ihm versterben könnte, deren Enkelin, die Beteiligte zu 2), zu seiner weiteren Ersatzerbin eingesetzt hätte. Diese stellte daraufhin einen Erbscheinsantrag.

Das Nachlassgericht hat entschieden, dass es die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachte. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das OLG den Beschluss abgeändert und den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

Die Gründe:
Dem Testament des Erblassers vom 1.7.2018 konnte im Wege der (ergänzenden) Auslegung nicht entnommen werden, dass er die Beteiligte zu 2) als Ersatzerbin für die dort benannte Lebensgefährtin S. eingesetzt hatte.

Zwar war davon auszugehen, dass der Erblasser mit seinem Testament vom 1.7.2018 den Beteiligten zu 1) ausdrücklich enterbt hatte, so dass dieser in jedem Falle auch als gesetzlicher Erbe des Erblassers ausgeschlossen war. In der testamentarischen Erb- bzw. Ersatzerbeneinsetzung anderer Personen ist jedenfalls dann unzweifelhaft die Enterbung des Sohnes des Erblassers zu sehen, wenn dieser bereits nach seiner vorverstorbenen Mutter den Pflichtteil geltend gemacht hatte und in dem Testament des Erblassers inhaltlich auf eine Pflichtteilsstrafklausel aus einem mit der Mutter (Ehefrau des Erblassers) geschlossenen Erbvertrag Bezug genommen wird.

Allerdings konnte dem Testament weder im Wege der Auslegung noch im Wege der ergänzenden Auslegung der Wille entnommen werden, dass der Erblasser für den Fall, dass seine Lebensgefährtin vor ihm versterben sollte, er deren Abkömmlinge als Ersatzerben einsetzen wollte. Denn der Erblasser hatte schon seine Lebensgefährtin nur als Ersatzerbin eingesetzt. Dies zeigte, dass ihm das Institut eines Ersatzerben grundsätzlich bekannt war. Für den Fall des vorherigen Versterbens seiner Lebensgefährtin hat er aber in dem Testament keine weiteren Ersatzerben bestimmt. Mit dem Vorversterben seiner Lebensgefährtin musste er aber rechnen, da diese noch 4 Jahre älter war als der damals 78 Jahre alte Erblasser, mithin bereits 82 Jahre. In dem Testament wurde nur die Lebensgefährtin als Ersatzerbin benannt und nicht etwa (auch) deren Familie oder konkret deren Tochter oder deren Enkelin, die Beteiligte zu 2).

Auch in den zur Auslegung herangezogenen Vollmachten wurde nur die Lebensgefährtin genannt. Die Einsetzung der Lebensgefährtin als Ersatzerbin stellt ohne Hinzutreten weiterer in der testamentarischen Verfügung angedeuteter Umstände keinen ausreichenden Anhalt dafür dar, dass bei einem Vorversterben der Lebensgefährtin deren noch lebende Abkömmlinge zur Ersatz-Ersatzerben berufen sind. Die Regelung des § 2069 BGB ist auf solche Fälle jedenfalls nicht (entsprechend) anwendbar.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2024 14:11
Quelle: Landesrecht Rheinland-Pfalz

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