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Verantwortungsgemeinschaft ohne rechtliche Verantwortung? - Die Eckpunkte des BMJ vom 2.2.2024 für die Verantwortungsgemeinschaft (Erbarth, FamRB 2024 FAMRB0065760)

Das Bundesministerium der Justiz hat die schon geraume Zeit mit Spannung erwarteten „Eckpunkte für die Verantwortungsgemeinschaft“ vorgelegt. Das Papier enthält – vordergründig – Überraschungen: Ein Recht und eine Pflicht zur Verantwortungsübernahme soll zwischen den Partnern der Gemeinschaft nicht entstehen. Statt der erwarteten drei unterschiedlichen Stufen der Verantwortungsgemeinschaft ist eine Grundstufe vorgesehen, die durch Vereinbarung der Partner erweitert werden kann, sog. Aufbaustufe. Diese wiederum sieht vier unterschiedliche, auch miteinander kombinierbare „Module“ vor. Der Beitrag konzentriert sich auf die grundsätzlichen Probleme der vorgesehenen sog. Grundstufe und damit der Verantwortungsgemeinschaft als solcher.

I. Entwicklung zur Einführung einer sog. Verantwortungsgemeinschaft bis zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz
1. Der Antrag der FDP-Bundestagsfraktion vom 10.1.2020
2. Koalitionsvertrag der Bundesregierung
II. Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für die Verantwortungsgemeinschaft vom 2.2.2024
1. Eigenständiges Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft
2. Allgemeiner Teil des Gesetzes
a) Tatbestandliche Voraussetzungen einer wirksamen Verantwortungsgemeinschaft
aa) Wirksamer Vertrag
bb) Persönliche Voraussetzungen und Anzahl der Vertragspartner
(1) Persönliche Voraussetzungen
(2) Anzahl der Vertragspartner
cc) Persönliches Näheverhältnis
dd) Form
ee) Nichtigkeit
b) Rechtsfolge
aa) Die vorgesehene Regelung
bb) Grundsätzlich keine Begründung von Rechten und Pflichten
(1) Keine Rechte und Pflichten aus wirksam entstandener Verantwortungsgemeinschaft
(2) Grund der fehlenden Rechte und Pflichten
3. Besonderer Teil
a) Grundlage
b) Modul 1: Auskunft und Vertretung in Gesundheitsangelegenheiten
c) Modul 2: Zusammenleben
d) Modul 3: Pflege und Fürsorge
e) Modul 4: Zugewinngemeinschaft
III. Ergebnis


I. Entwicklung zur Einführung einer sog. Verantwortungsgemeinschaft bis zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz

1. Der Antrag der FDP-Bundestagsfraktion vom 10.1.2020

Die FDP-Fraktion hat im Bundestag am 10.1.2020 die Einführung einer „Verantwortungsgemeinschaft“ beantragt; am 26.10.2020 hat eine öffentliche Expertenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestags stattgefunden. Begründung sowie Rechtfertigung einer rechtlichen Regelung soll hier wie allgemein bei Partnerschaften jenseits der Ehe die Übernahme von Verantwortung sein – der Terminus „Verantwortung“ also bereits Namensbestandteil der Personenverbindung, der Name ist nicht taugliches Programm: Bleibt doch schon offen, ob rechtliche oder nur sog. tatsächliche Verantwortung gemeint ist sowie, ob Verantwortung mit vertraglicher Begründung der Gemeinschaft durch die Partner eintritt, ob die Gemeinschaft kraft Gesetzes bei Übernahme tatsächlicher Verantwortung, ggf. weiterer Voraussetzungen (insbesondere ab einer bestimmten Dauer) entsteht, oder, ob die Übernahme tatsächlicher Verantwortung allein Ausgleichsansprüche bei Auflösung der Gemeinschaft nach sich zieht.

2. Koalitionsvertrag der Bundesregierung
Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht die Einführung einer solchen „Verantwortungsgemeinschaft“ vor – indes mit der gegenüber dem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion entscheidenden Veränderung, dass die Beteiligten „rechtlich“ füreinander Verantwortung übernehmen sollen; offen bleibt auch hier, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen ein Recht und eine Pflicht zur Verantwortungsübernahme eintreten. Darüber hinaus ist die Verantwortungsgemeinschaft nicht auf zwei Personen beschränkt, sie soll vielmehr auch zwischen mehr als zwei Personen möglich sein.

II. Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz für die Verantwortungsgemeinschaft vom 2.2.2024

1. Eigenständiges Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft

Das Bundesministerium der Justiz hat nunmehr am 2.2.2024 „Eckpunkte für die Verantwortungsgemeinschaft“ vorgelegt. „Der Vertrag über die Verantwortungsgemeinschaft“ soll nicht im BGB, sondern, dem Vorbild des Lebenspartnerschaftsgesetzes folgend, in einem eigenständigen Gesetz (Gesetz über die Verantwortungsgemeinschaft) geregelt werden. Das Gesetz sieht einen Allgemeinen und einen Besonderen Teil vor.

2. Allgemeiner Teil des Gesetzes

a) Tatbestandliche Voraussetzungen einer wirksamen Verantwortungsgemeinschaft

aa) Wirksamer Vertrag

Eine wirksame Verantwortungsgemeinschaft erfordert einen wirksamen Vertrag über eine solche Gemeinschaft. Das Papier des Ministeriums hebt dies nicht gesondert hervor, setzt einen wirksamen Vertragsschluss vielmehr voraus.

bb) Persönliche Voraussetzungen und Anzahl der Vertragspartner

(1) Persönliche Voraussetzungen

Vertragspartner des Vertrags über eine Verantwortungsgemeinschaft müssen volljährig und geschäftsfähig sein. Die Verantwortungsgemeinschaft steht sonach nur Personen offen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 2 BGB) und nicht geschäftsunfähig i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB sind.

Es fällt hier auf, dass eine eigenständige Regelung entsprechend der Ehegeschäftsunfähigkeit in § 1304 BGB, der Testtierunfähigkeit in § 2229 Abs. 4 BGB, der Einwilligungsunfähigkeit in § 630d Abs. 1 Satz 2 BGB oder dem der Anordnung einer rechtlichen Betreuung oder eines Einwilligungsvorbehalts entgegenstehenden Willen des Betroffenen i.S.v. § 1814 Abs. 2, § 1825 Abs. 1 Satz 2 BGB und somit ein Spezialfall der „Verantwortungsgemeinschaftsunfähigkeit“ i.S. einer partiellen Geschäftsunfähigkeit bzw. Geschäftsfähigkeit fehlt. Möglicherweise unterstellen die Papierverfasser die bei § 104 Nr. 2 BGB anerkannte partielle Geschäftsfähigkeit auch für den Abschluss des Vertrags über die Verantwortungsgemeinschaft. Ob Rechtsprechung und Literatur eine solche anerkennen ist freilich nicht sicher, eine gesetzliche Regelung sollte eine spezielle „Verantwortungsgemeinschaftsunfähigkeit“ nach dem Vorbild der gegenüber § 104 Nr. 2 BGB gelungeneren Vorschrift des § 2229 Abs. 4 BGB
vorsehen.

(2) Anzahl der Vertragspartner
Als Maximalgröße ist eine Verantwortungsgemeinschaft mit bis zu sechs volljährigen, geschäftsfähigen Personen als Vertragspartnern vorgesehen.

Dabei soll eine Person nicht Vertragspartner mehrerer Verträge über eine Verantwortungsgemeinschaft, indes miteinander verheiratete Ehegatten sowohl einzeln als auch insgesamt Vertragspartner einer Verantwortungsgemeinschaft seien können. Allein ausgeschlossen ist eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen miteinander verheirateten Ehegatten, also ohne ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.03.2024 14:47
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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